Kerschbaum, Familie
Die Familie Kerschbaum spielte im Musikleben der Stadt Linz eine wichtige Rolle, so dass sich freundschaftliche Kontakte zu Bruckner auf mehreren Ebenen ergaben, die Generation der Eltern und Kinder umfassten.
Josef: * 1796 Kuschwarda/Böhmen (Strážný/CZ), † 8.7.1872 Linz,
Oberösterreich/A. Lehrer.
Als Lehrer mit einer Dienstzeit von 56 Jahren
seinerzeit der älteste aktive Schulmann Oberösterreichs, Leiter der Linzer Stadtpfarrschule (ab 1830) und Direktor
der Kronprinz Rudolf-Schule (ab 1870), für sein schulisches Wirken mehrfach
ausgezeichnet, Funktionen in kulturellen und karitativen Vereinen. Mit einer Reihe
von Veröffentlichungen machte er sich einen Namen als pädagogischer
Schriftsteller.
Die beruflichen und örtlichen Gegebenheiten führten immer wieder zu Kontakten mit Bruckner, auch wenn darüber nichts ausdrücklich überliefert ist. Kerschbaum war Mitbegründer, Direktionsmitglied und seit Juni 1833 Kassier und Rechnungsführer des Pensions-Instituts für Schullehrer-Witwen und -Waisen in der Linzer Diözese. Bruckners Aufnahme-Bescheinigung vom 18.8.1841 bei dieser Vorsorge-Einrichtung trägt Kerschbaums Unterschrift; ob eine persönliche Begegnung stattfand, ist ungewiss. Kerschbaum gehörte dem Linzer Musikverein seit der Gründung als ausübendes Mitglied, seit 1860 als Ausschussmitglied und schließlich als Vorsitzender des Ausschusses an, so dass sich im Herbst 1863 bei den Bemühungen, Bruckner als Dirigent für den Verein zu gewinnen, keine Unbekannten gegenüberstanden.
Schriften
- Stufengang und Materialien zu schriftlichen Aufsätzen nebst Beyspielen über die meisten Fälle der im bürgerlichen Leben vorkommenden Aufsätze. Ein Handbuch für Lehrer und Schüler. Linz 1835
Seine Söhne
Ferdinand: * 19.10.1838 Linz, Oberösterreich/A, † 14.10.1901
Grünburg an der Steyr, Oberösterreich/A. Weltpriester.
Theologiestudium am Linzer
Priesterseminar, 1862 Priesterweihe in Linz, 1862–1872 Kooperator in Steinbach an der
Steyr, 1872–1873 Chorvikar in Linz, 1873–1901 Pfarrer in Grünburg. Beliebter
Seelsorger, begeisterter Musiker und Sänger – er „verfügte über eine wohlgeschulte
Bassstimme“ und „beherrschte überdies eine Reihe von Instrumenten“ (Linzer Volksblatt 15.10.1901, S. 4); Dichter und Komponist von
Gelegenheitswerken. Mitglied der Liedertafel Grünburg,
Ehrenbürger von Steinbach und Grünburg.
Seine Primiz fand am 30.7.1862 in der Stadtpfarrkirche in Linz (nicht in Steyr) statt, wobei eine Messe (Joseph?) Haydns aufgeführt wurde und Bruckner die im November 1861 komponierte Fuge in d-Moll – der Überlieferung nach erstmals – spielte. Bruckner lud den Priester oft nach Wien ein, wo dieser bei Aufführungen von Bruckner-Werken mitgewirkt haben soll.
Karl (d. Ä.): * 28.7.1834 Linz, Oberösterreich/A, † 17.2.1905
Linz. Gemeindebeamter, Geschichtsforscher und Schriftsteller.
Buchhalter ab 1862,
1876–1905 Stadtarchiv-Verwalter. Ab 1854 bei der Liedertafel „Frohsinn“
ein begeistertes Mitglied, vorzüglicher Sänger (Tenor), lange Zeit Sekretär, Kassier,
Archivar und Chronist und damit in dauernder Nähe zu Bruckner, der ihn als Freund bezeichnete. Er war Herausgeber von
Vereinspublikationen und lieferte Beiträge für Vereinsveranstaltungen.
Sein schriftstellerisches Talent diente hauptsächlich der Liedertafel „Frohsinn“; er schrieb Gedichte, heitere und ernste Liedertexte, z. B. die Worte für den gemischten Chor „Das Frauenherz, die Mannesbrust“ (Textdichter), einen neuen Text für den Männerchor Sängerbund und die Bruckner-Hymne An Meister Bruckner (Musik von Wilhelm Floderer; Hommagen und Widmungen an Bruckner) für die Enthüllung einer Bruckner-Gedenktafel in Ansfelden am 12.5.1895.
Bruckner komponierte für Kerschbaums Vermählung mit Maria Schimatschek am 5.2.1865 den Trauungs-Chor. Der Freund wirkte auch bei Aufführungen von Bruckner-Werken als Solist mit.
Schriften
- (Hg.), Chronik der Liedertafel „Frohsinn“ in Linz über den 50jährigen Bestand vom 17. März 1845 bis anfangs März 1895. Linz 1895
Dessen Frau
Maria Josefa (geb. Schimatschek): * 24.4.1844 Linz,
Oberösterreich/A, † 11.11.1888 Linz. Sängerin.
Tochter von Franz Schimatschek, Hornist des
Linzer Theaterorchesters und Kopist
Bruckners; sie war eine bekannte und hervorragende Konzert-, Lied- und
Oratoriensängerin (Sopran) u. a. bei Aufführungen der Liedertafel „Frohsinn“ (bereits 1858), des Linzer
Musikvereins, in verschiedenen Orten Oberösterreichs sowie Solistin bei
festlichen Anlässen in der Domkirche.
Sie wirkte bei mehreren Aufführungen von Bruckner-Werken mit. Obwohl sie ihre Sängerlaufbahn schon beendet hatte, sang sie „über besonderen brieflich an sie gerichteten Wunsch“ Bruckners (Linzer Tages-Post 10.4.1886, S. 4) das Sopran-Solo im Te Deum am 15.4.1886. Ihr letzter öffentlicher Auftritt galt demselben Werk am 29.9.1887 im Neuen Dom mit Bruckner an der Orgel.
Literatur
- Liedertafel Frohsinn, in: [Linzer] Tages-Post 10.4.1886, S. 4
- Todesfall [Maria Kerschbaum †], in: Linzer Volksblatt 13.11.1888, S. 2
- Vom Clerus [Ferdinand Kerschbaum †], in: Linzer Volksblatt 15.10.1901, S. 4
- Personal-Nachrichten, in: Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung 28 (1901) H. 20, S. 201
- Stadtbuchhalter Karl Kerschbaum †, in: [Linzer] Tages-Post 21.2.1905, S. 3f.
- Hermann Zappe, Anton Bruckner, die Familie Zappe und die Musik, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1982/83, S. 129–161, bes. S. 151
- Klaus Petermayr, Familie Neuhofer, Marie Kerschbaum und Anton Bruckner, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 2 (Dezember 2008), S. 8ff.
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