Raabe, (Karl Ludwig Hermann) Peter
* 27.11.1872 Frankfurt an der Oder, Brandenburg/D, † 12.4.1945 Weimar, Thüringen/D. Dirigent und Musikwissenschaftler.
Als Sohn einer Klavierlehrerin von frühester Kindheit an mit Musik umgeben, studierte Raabe 1891–1894 an der Berliner Musikhochschule bei Woldemar Bargiel (1828–1897) und Philipp Spitta (1841–1894). Erste Anstellungen als Kapellmeister führten ihn u. a. nach Königsberg (Kaliningrad/RUS), Zwickau, Amsterdam, München und 1907 nach Weimar. Dort verblieb Raabe bis zu seinem Engagement als GMD des Sinfonieorchesters Aachen 1920. In der Karlsstadt blieb er bis 1934. Raabe, kulturpolitisch schon länger aktiv, begrüßte die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 (Nationalsozialismus). Nach dem (erzwungenen) Rücktritt Richard Strauss‘ wurde Raabe 1935 (ab Mai 1937 Mitglied der NSDAP) Vorsitzender der Reichsmusikkammer und verblieb in dieser Funktion bis 1945.
Neben der Musik der Wiener Klassik erwärmte sich Raabe vor allem für die Romantik, Bruckner zählte dabei zu seinen favorisierten Komponisten. Schon in seiner Weimarer Zeit widmete er sich Bruckner stark, dessen Chorwerke dirigierte Raabe vor allem in seiner Zeit als GMD in Aachen ab 1928. Bruckners Siebente Symphonie erklang in Aachen unter Raabes Leitung nahezu 20 Mal (Signale für die musikalische Welt 94 [1936] H. 8, S. 102). Auch in der Internationalen Bruckner-Gesellschaft (IBG) engagierte sich Raabe mehrfach und leitete u. a. das 4. Brucknerfest vom 2. bis zum 5.9.1934 in Aachen. Am Programm des Festes standen die Messe in e-Moll, die Missa solemnis, die Symphonie in d-Moll („Annullierte“) und die Fünfte Symphonie, die Neunte Symphonie in Originalfassung und die Linzer Fassung der Ersten Symphonie, die Bruckner selbst 1868 zuletzt dirigiert hatte. Raabe erhielt die Ehrenmitgliedschaft der IBG und wurde als „größter Bruckner-Dirigent“ seiner Zeit (Okrassa, S. 90) gefeiert. Bei der Festsitzung der IBG am 7.6.1937 in Regensburg hielt Raabe eine vielbeachtete Rede über Bruckner, welche später auch publiziert wurde (Raabe 1937).
In seiner Funktion als Vorsitzender der Reichsmusikkammer war Raabe hauptsächlich als Schriftsteller und Redner tätig, bei seinen Auftritten als Gastdirigent – bei verschiedenen Musikfesten oder bei Konzerten der 1932 gegründeten Peter Raabe-Stiftung „für bedürftige Musiker“ (Signale für die musikalische Welt 94 [1936] H. 8, S. 102) – bot sich meist ein abwechslungsreiches Programm. Neben Bruckners Symphonien – z. B. Dritte (Jena 1935), Erste und Neunte (Zürich 1936, Regensburg 1937, die Erste allein 1938 in Aachen), Sechste (Aachen 1938) – standen immer wieder Werke von Johannes Brahms, Johann Nepomuk David, Georg Friedrich Händel (1685–1759), Franz Liszt, Max Reger (1873–1916), R. Strauss, Werner Trenkner (1902–1981) und Carl Maria von Weber (1786–1826) auf dem Programm. Eine besondere Vorliebe hatte er für Ludwig van Beethovens Œuvre.
Werke
- Lieder
- Klavierstücke
Schriften
- Die Entstehungsgeschichte der ersten Orchesterwerke Franz Liszt‘s. Diss. Leipzig 1915
- Die Musik im dritten Reich (Von deutscher Musik 48). Regensburg 1935
- Deutsche Meister. Reden (Von deutscher Musik 58). Regensburg 1937, S. 83–92
- Wege zu Bruckner. Regensburg 1944
Literatur
- H. Jacobs, Peter Raabe in Aachen, in: Signale für die musikalische Welt 94 (1936) H. 8, S. 102f.
- Nina Okrassa, Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872–1945). Köln–Wien 2004, S. 88ff., 355f.
- Nina Okrassa, Art. „Raabe, (Karl Ludwig Hermann) Peter“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 13 (2005), Sp. 1143f.
- Nina Okrassa, Art. „Raabe, Karl Ludwig Hermann Peter“, in: www.deutsche-biographie.de [3.12.2018]