Regensburg

Stadt im Freistaat Bayern an der Mündung von Naab und Regen in die Donau; seit 1810 bei Bayern. Verwaltungssitz des Regierungsbezirks Oberpfalz; katholischer Bischofssitz (Regensburger Dom, 1274 begonnen). Kulturelles Zentrum der Region. 1875: 31.500, 1895: 41.500, 2019: ca. 152.000 EW.

Bruckner berührte Regensburg sicher mehrere Male auf der Durchreise, so vermutlich am 21./22.7.1871 auf der Fahrt nach London und (sofern er nicht über Pilsen [Plzeň/CZ] und Eger [Cheb/CZ] gefahren ist) auf dem Weg zu den Festspielen nach Bayreuth (1876, 1882–1884, 1886, 1888/89 und 1891/92). Zu einem Aufenthalt in Regensburg ist es, soweit bisher bekannt, wohl nur 1861 gekommen, als die Liedertafel „Frohsinn“ die Rückfahrt vom Nürnberger Sängerfest am 23.7.1861 unterbrach, um tags darauf die Walhalla zu besichtigen – die Berichte hierzu sind allerdings widersprüchlich.

Spätere Kontakte mit den Regensburger Sängern, die Bruckner in Nürnberg kennengelernt haben könnte, sind nur für den Musiklehrer Friedrich anzunehmen, falls dieser identisch ist mit dem Briefadressaten gleichen Namens, den Bruckner am 10.5.1885 in seinem Taschen-Notizkalender notiert hat: Friedrich war Mitglied des Männergesangvereins „Liederkranz“, seine 1863 erschienene gleichnamige Liedersammlung wurde schon bald darauf (ca. 1865) von Bruckner benützt und noch in späteren Jahren geschätzt. Zumindest Anfang der 1890er Jahre muss Bruckner in St. Florian mit Regensburger Musikern zusammengetroffen sein, da nach anekdotischer Überlieferung Sängerknaben, sicher in Begleitung eines Lehrers oder des jeweiligen Chorregenten, in der Ferienzeit das Stift besuchten.

Eine gewisse Bedeutung hatte Regensburg für Bruckner auch als Zentrum des Cäcilianismus, obwohl er dessen Bestrebungen eher ablehnend gegenüberstand. Zu direkten Kontakten mit dessen Hauptvertretern Franz Xaver Haberl (1840–1910) und Franz Xaver Witt scheint es nicht gekommen zu sein. Bruckner muss letzterem aber einige Kompositionen, darunter das Christus factus est (WAB 11), zugeschickt haben, von denen Witt als Herausgeber der bei Friedrich Pustet erscheinenden Zeitschrift Musica sacra 1885 zumindest das Pange lingua (WAB 33) veröffentlichte, nicht ohne zuvor eine harmonische Kühnheit im drittletzten Takt „verbessert“ zu haben, worüber Bruckner sehr erbost war.

Regensburg war im Juni 1937 Veranstaltungsort des 8. Brucknerfestes der Internationalen Bruckner-Gesellschaft (IBG; Brucknerfeste und -feiern). In diesem Rahmen erklang am 6.6.1937 in der Regensburger Minoritenkirche Vinzenz Gollers Festpräludium für Orgel in memoriam Anton Bruckner über Motive der Fünften Symphonie (Hommagen und Widmungen an Bruckner). Am selben Tag wurde in der 1830–1842 nach einem Entwurf Leo von Klenzes (1784–1864) in Form eines griechischen Tempels nahe Regensburg errichteten Walhalla, die Bruckner am 24.7.1861 möglicherweise besichtigt hatte, die von Adolf Rothenburger (1883–1972) geschaffene Bruckner-Büste (IKO 273, Ikonografie, Gedenkstätten) enthüllt. Dass bei diesem Festakt Adolf Hitler zugegen war, mag als äußeres Zeichen dafür gelten, dass im „Dritten Reich“ Bruckners Leben und Werk für ideologische Zwecke propagandistisch missbraucht wurden (Nationalsozialismus).

Das Brucknerfest 1937 war eine der wenigen Möglichkeiten, auch größere Werke Bruckners in Regensburg aufzuführen: Die Münchner Philharmoniker, die bei diesem Anlass die Ehrenmedaille der IBG erhielten, spielten unter Rudolf Kloiber (1899–1973) die Dritte Symphonie und die Ouvertüre in g‑Moll, unter Siegmund von Hausegger die Fünfte Symphonie (am selben Tag erklang auch unter der Leitung von Theobald Schrems [1893–1963] das Te Deum), unter Peter Raabe die Erste Symphonie und unter Oswald Kabasta die Neunte Symphonie. In den Jahren zuvor hatten nur Richard Strauss (am 22.5.1904) und Raabe (vor September 1934) das Regensburger Publikum mit der Neunten Symphonie und dem Te Deum (Musikfest 1904) bzw. der Dritten und Siebenten Symphonie bekannt gemacht. Aufführungen kleinerer Chorwerke sind nur vereinzelt bekannt geworden: Herbstlied am 22.7.1905, Locus iste im April 1934 (auf einer Italien-Tournée eines Regensburger Chores) – wobei bisher nicht untersucht wurde, wie intensiv sich die Bruckner-Pflege durch die Regensburger Domspatzen gestaltete. Oskar Sigmunds (1919–2008) Orgelwerk Fantasie und Fuge über ein Thema von Anton Bruckner über das Hauptthema der Achten Symphonie wurde 1974 in Regensburg uraufgeführt (Hommagen und Widmungen an Bruckner).

Schließlich sei noch der Rolle des Regensburger Verlegers Gustav Bosse (1884–1943) gedacht, der nicht nur im Oktober 1936 beim Brucknerfest in Wien die Ehrenmedaille stiftete, sondern auch einen bedeutenden Beitrag zur Bruckner-Rezeption und Bruckner-Forschung leistete, da wichtige Publikationen in seinem Verlag erschienen: Neben der Erinnerungsliteratur der Bruckner-Schüler Friedrich Klose und Max von Oberleithner sind hier vor allem die Publikationen von Max Auer, Franz Gräflinger (1921), Hans Tessmer (1895–1943), Peter Griesbacher (1864–1933) und Raabe zu nennen und als besonders wichtig, wenn auch wegen gewisser Ungenauigkeiten kritisch zu werten und heute durch die Veröffentlichungen im Rahmen der Gesamtausgabe (Briefe I, Briefe II) als überholt zu betrachten, die Briefausgaben Gräflingers und Auers (1924). Bis heute unverzichtbar ist trotz etlicher Unzulänglichkeiten die Bruckner-Biografie von August Göllerich und Auer geblieben, die ebenfalls im Regensburger Bosse-Verlag erschien.

Literatur

FRANZ SCHEDER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.8.2020

Medien

Kategorien

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft