Wiener Männergesang-Verein
1843 gründete August Schmidt (1808–1891), Herausgeber der Allgemeinen Wiener Musikzeitung, den Wiener Männergesang-Verein, der noch in seinem Gründungsjahr im Saal der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien auf der Tuchlauben debütierte. Der Verein widmete sich von Anfang an nicht nur dem Chorgesang, sondern initiierte immer wieder Projekte, um die Bedeutung Wiens als musikalischem Zentrum zu unterstreichen. Chormeister waren zur Zeit Bruckners Anton M. Storch, Hans Schläger, Ferdinand Stegmayer (1803–1863), Johann Herbeck, Franz Mair (1821–1893), Rudolf Weinwurm, Eduard Kremser, Max Ritter von Weinzierl (1841–1898) und Edmund Reim (1859–1928), nach Bruckners Tod u. a. Richard Heuberger, Richard von Perger (1854–1911), Viktor Keldorfer und Karl Luze, die sich für seine Werke einsetzten. Zu den Aktivitäten des Vereins zählten neben den Konzerten auch Sommerliedertafeln, die bis heute veranstalteten Narrenabende sowie Sängerfahrten in die Umgebung Wiens und ins Ausland – so auch 1861 zu den Sängerfesten nach Krems und Nürnberg. Der Verein erlangte bald eine hervorragende Stellung im musikalischen Leben Wiens. 1907 reiste er erstmals in die USA, in neuerer Zeit unternahm er Konzertreisen nach Fernost (1991), Australien (1996) und China (2010).
Bruckner selbst trat erstmals im Jahr 1862 mit dem Wiener Männergesang-Verein in Kontakt, als er sich Notenmaterial für die Linzer Liedertafel „Frohsinn“ ausleihen wollte. Als Organist wirkte er in den geistlichen Konzerten in der Wiener Kirche St. Augustin (14.4.1870, 28.3.1872) sowie bei einer Aufführung geistlicher Musik im Musikvereinssaal (6.4.1887) mit. 1880 bewarb er sich bei Kremser vergeblich um die 2. Chormeisterstelle (Bewerbungen). 1893 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt (Ehrungen).
Mit dem Chor Um Mitternacht (WAB 90) erklang am 27.3.1887 im Musikverein erstmals ein Werk Bruckners in den Konzerten des Wiener Männergesang-Vereins. Es folgten: Germanenzug (20.6.1892), die Uraufführung des dem Verein gewidmeten Helgoland (8.10.1893), Der Abendhimmel (WAB 56) (17.12.1898) und das Vaterlandslied (24.3.1899). Der Verein wirkte sowohl bei der Einsegnung Bruckners in der Karlskirche (13.10.1896), bei der Enthüllung des Bruckner-Denkmals im Wiener Stadtpark (25.10.1899; IKO 106) als auch bei der Enthüllung der Gedenktafel am Kustodenstöckl des Belvedere (9.10.1921; IKO 139) mit. Auch später kamen immer wieder Werke Bruckners zur Erstaufführung: Abendzauber (18.3.1911, Uraufführung), Am Grabe (3.5.1924), Das Lied vom deutschen Vaterland (18.12.1926), Ständchen (15.5.1929) und Ecce sacerdos (30.10.1932, in der Bearbeitung von Franz Burkhart).
Der Wiener Männergesang-Verein verwahrt heute in seinem Archiv zwei Briefe Bruckners (14.4.1870, 14.10.1893), die Autografe von Ecce sacerdos und Abendzauber sowie Entwürfe zu Helgoland und eine Partiturabschrift von Um Mitternacht (WAB 90).
Literatur
- Rudolph Hofmann, Der Wiener Männergesangverein. Chronik der Jahre 1843 bis 1893 aus Anlass der 50jährigen Jubelfeier des Vereins. Wien 1893
- Karl Adametz, Hundert Jahre Wiener Männergesang-Verein. Wien 1943
- Elisabeth Ramminger, Der Wiener Männergesang-Verein. Sein Repertoire von der Gründung bis zum Ende der k. k. Monarchie. 2 Bde. Diss. Wien 1989
- Bruckner-Ikonographie IRenate Grasberger, Bruckner-Ikonographie. Teil 1: Um 1854 bis 1924 (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 7). Graz 1990
- 150 Jahre Wiener Männergesang-Verein 1843–1993. Hg. v. Wiener Männergesang-Verein. 2 Bde. Wien 1992
- www.wmgv.at [26.4.2017]
- Elisabeth Anzenberger-Ramminger/Christian Fastl, Art. „Wiener Männergesang-Verein“, in: www.musiklexikon.ac.at [26.4.2017]