Spitznamen und Schimpfwörter

Bruckner war bei seinen Schülern und Studenten nicht nur beliebt, weil seine Vorträge einprägsam und – gewürzt mit Geschichten und Übertreibungen – kurzweilig waren; es kamen dazu seine spontanen Lob- und Missfallensausbrüche, wenn ihn Leistungen seiner Schüler überraschten bzw. enttäuschten. Jeder, der einmal in irgendeiner Weise aufgefallen war, bekam seinen charakteristischen Spitznamen; auch eigene Werke wurden zuweilen mit derartigen Namen bedacht.

August Göllerich und Max Auer zählen etliche auf (Göll.-A. 4/2, S. 382f.), in der Erinnerungsliteratur gaben die Autoren den ihnen jeweils zugedachten gerne preis:

„Alte Harf‘n“ Weil einer als Hauptfach Harfe studierte.
„Armer Häuter“ Bruckners Schüler Hermann Abheiter (* ca. 1867), später Kapellmeister in Bukarest.
„Der Berlioz“ Ferdinand Löwe als Berater in Fragen der Instrumentation (Hector Berlioz).
„Das Beserl“ („‘s Beserl“) Erste Symphonie Bruckners.
„Der Egoist“ Friedrich Klose, weil dieser seltener zum Unterricht erschien.
„Francisce“ Franz Schalk.
„Gaudeamus“, „Gaudeamusser“ Studenten (allgemein).
„Gaudeamus“ Max von Oberleithner.
„Generalissimus“ Josef Schalk, der die Führung im Wiener Akademischen Wagner-Verein innehatte, auch „Locherl“ genannt.
„Gischpl“, „Viechkerl“ Wenn einer einen Unsinn sagte.
„Der große Alpinist“ August Stradal, der Bruckner versehentlich nach Zell am See zum Kitzsteinhorn geschickt hatte, als Bruckner den Großglockner sehen wollte.
„Halawachl“, „Viechskerl“ Allgemeine Rüge oder Anerkennung, je nach Betonung.
„Heinrich mir graut‘s vor dir!“ Heinrich Hesch. Auch: „Heinrichshof“ (ehemaliges Gebäude gegenüber der Hofoper).
„Der Herr Sekretär“ Dr. Ernst Böck (1857–1924), ein Freund von Bruckners Hausherrn Anton Oelzelt von Newin, der sich in dessen Auftrag um die Wohnung in der Heßgasse kümmerte.
„Mein Hofmeisterlein“ Karl Hofmeister, der spätere Konzertmeister am Deutschen Volkstheater, wenn er gelobt wurde; wenn er gerügt wurde: „Hausmeister“.
„Kracher“ Das deutsche Lied (Der deutsche Gesang) (WAB 63) „Wie durchs Bergtal dumpf ergrollt Donnergedröhn“.
„Locherl“ s. „Generalissimus“.
„Micherl“ 2. Satz der Achten Symphonie; damit wollte Bruckner ursprünglich seinen Freund Carl Almeroth charakterisieren; s. a. Deutscher Michel.
„Mohrl“ Kleine schwarze Damenuhr, in Bruckners Nachlass erhalten (Uhren waren nebst Gebetbüchern Bruckners bevorzugtes Geschenk an Frauen).
„Nachtlicht“ Carl Hruby, der die ganze Nacht Harmonielehre studiert hatte.
„Die Perle“ Stradal, weil er Bruckner jeden Abend Gesellschaft leistete.
„Perle des Jahrhunderts“ Ernst Decsey, als er seine Aufnahmsprüfung gegen Bruckners „Absicht“ doch bestand.
„Räubersknabe“ Hesch (s. o.), der sehr struppiges Haar hatte.
„Sachsen-...“ Ein Schüler, dessen Name mit „Sachsen“ begann, wurde mit sämtlichen Fürstengeschlechtern dieses Namens, beginnend mit „Sachsen-Anhalt“, gerufen.
„Samiel“ Friedrich Eckstein als Nothelfer, nach der Figur „Samiel“ aus Carl Maria von Webers (1786–1826) Freischütz („Samiel hilf!“) benannt.
„Sie Strumpfbandl“ Zu einem unbekannten Schüler.
„Viechskerl“ s. „Halawachl“.
„Vogerl“ Bruckners Schüler Theodor Vogl (1867–1933), den dieser gern zum Konzert nach Pressburg mitnehmen wollte, der jedoch zögerte, weil er mit seiner Freundin etwas anderes vorhatte („ohne Vogerl ka Hetz!“).
„Wagerl“ Almeroth, der mit seinem Wagen für Bruckner meist zur Stelle war.
„Wolferl“ Hugo Wolf.
„Zacherl“ Peter Zachariadis (* ca. 1860), Bruckners Schüler am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Literatur

RENATE GRASBERGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 1.9.2017

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