Orgelwerke

Es überrascht, dass von Bruckner, der von Kindheit an zeitlebens das Orgelspiel pflegte und als Organist internationalen Ruhm erlangte (Orgel), nur eine sehr überschaubare Zahl an ausschließlich Studien- und Gelegenheitswerken für Orgel überliefert ist. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass Bruckner die Improvisation auf der Orgel meisterhaft beherrschte und daher möglicherweise keine Notwendigkeit sah, Kompositionen für dieses Instrument zu schreiben. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Bruckner zwei Dutzend Werke für größere Besetzungen – überwiegend Mess- und Chorkompositionen – schuf, die den Einsatz der Orgel erfordern.

Bei Bruckners frühen Orgelwerken handelt es sich ausschließlich um Kompositionsstudien. Seit langem gelten die sehr einfach gebauten Präludien für Orgel in Es-Dur als seine frühesten Orgelkompositionen. Ihre Authentizität ist aber aus mehrerlei Gründen fraglich; falls Bruckner tatsächlich an ihrer Entstehung beteiligt war, hat er sich hier wohl an der Bearbeitung von Fremdmaterial versucht. Auch die vermutlich authentischen Stücke Andante (Vorspiel) und Nachspiel für Orgel in d-Moll weisen mit dem Rückgriff auf Vorlagen von Joseph Drechsler und Gottlieb Muffat (1690–1770) kompositorische Fremdanteile auf. Bei der wie Andante (Vorspiel) und Nachspiel für Orgel in d-Moll aus den 1840er Jahren stammenden Komposition Vorspiel und Fuge in c-Moll handelt es sich zwar auch noch um ein Studienwerk, sie zeigt jedoch schon einige Charakteristika von Bruckners späterem Kompositionsstil und eine wesentlich anspruchsvollere Fugengestaltung.

Als theoretischen Teil für die Prüfung zur Erlangung des Titels des „Professors der Harmonielehre und des Contrapunktes“ am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien schuf Bruckner 1861 die kontrapunktisch entsprechend gründlich ausgearbeitete, weiterverarbeitende Techniken und eine ausgewogene Disposition aufweisende Fuge in d-Moll. Als praktischer Teil folgten die Improvisation einer Introduktion und Fuge über ein Thema von Simon Sechter und eine freie Improvisation in der Wiener Piaristenkirche.

Sein einziges in den Wiener Jahren komponiertes Orgelwerk ist das auf Wunsch Josef Diernhofers 1884 entstandene Präludium für Harmonium in C-Dur. Stilistisch ist hier nicht nur wie schon bei der Fuge in d-Moll grundsätzlich der persönliche Stil Bruckners ausgeprägt, sondern durch die fortschrittliche Harmonik und die vielen chromatischen Stimm- und Akkordfortschreitungen auch eine klangliche Nähe zu den um dieselbe Zeit entstandenen Symphonien (Siebente und Achte) hörbar.

Für die von Louis Dité aufgestellte Behauptung, dass das Präludienbuch sich im Besitz Bruckners befunden habe und eigene Kompositionen desselben beinhalte, konnten bisher keine Nachweise erbracht werden.

Für Orgelimprovisationen bei öffentlichen Konzerten und besonderen Anlässen wählte Bruckner im Vorhinein die Themen aus und fertigte sich Improvisationsskizzen an. Eine Aufstellung von eigenen und fremden Themen, die Bruckner hierfür verwendete, findet sich in einem Beitrag Max Auers in der Zeitschrift Die Musik von 1924 (siehe Auer, S. 879–884). Die bedeutendsten, einzigen umfangreicheren erhaltenen Improvisationspläne sind die Orgel-Skizze in c-Moll zu einem Konzert am 21.8.1884 in Kremsmünster und die Improvisationsskizze Ischl 1890 zur Hochzeit der Erzherzogin Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator.

Aus Bruckners Harmonielehre- und Kontrapunktunterricht am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien hat sich die Dittrich-Doppelfuge in B-Dur erhalten. Zu der von seinem Schüler Rudolf Dittrich unter seiner Aufsicht ausgeführten Einleitung und Doppelfuge für Orgel gab Bruckner angeblich das 1. Thema und den Fugenplan vor.

Literatur

MIRJAM KLUGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 14.12.2018

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