Griechenland (Rezeption)

Am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien hatte Bruckner in den Studienjahren 1881/82 bis 1885/86 einen Orgelschüler aus Smyrna (Izmir/TR): Timotheos Xanthopoulos (ca. 1864–1942), den späteren Lehrer des berühmten griechischen Komponisten Manolis Kalomiris (1883–1962). Ein weiterer direkter Bezugspunkt Bruckners zu Griechenland besteht in dem ausführlichen Reisebericht, den Friedrich Eckstein 1887 von Thessaloniki an seinen Lehrer sandte. Die Reise führte von Triest mit dem Dampfer nach Korfu, weiter nach Katakolon, quer durch Südgriechenland, nach Nauplia und Athen, „der jetzigen Hauptstadt Griechenlands, der Hauptort für die Kunststudien“. Von dort fuhr er nach Konstantinopel und Smyrna und schließlich auf den Berg Athos: „Auf einer wilden Felsinsel sind mehr als zwanzig riesenhafte Klöster erbaut. Viele derselben liegen am Rande fürchterlicher Abgründe und wer die Klöster sehen will, muss mit Stricken hinaufgezogen werden. […] Tausende von Einsiedlern leben in der Wildniss. Wenn ich nach Wien komme, werde ich Ihnen, verehrter Meister, noch Vieles von Athos zu erzählen haben.“ (Briefe II, 870627).

Vor 1900 gab es in Griechenland noch keine Symphonieorchester. Erst in den Jahren des Ersten Weltkrieges wurde ein solches in Athen gegründet, aus dem 1940 das Staatsorchester Athen hervorging. Bruckner, aber auch Johannes Brahms, Gustav Mahler und Richard Strauss, wurden als zu „deutsch“ bzw. zu „nördlich“ betrachtet, sodass ihre Werke im von französischer Kultur und der Wiener Klassik geprägten Musikleben Griechenlands anfangs nicht Fuß fassen konnten. Außerdem war das von Bruckner geforderte Instrumentarium nicht greifbar. Die erste nachweisbare Aufführung von Bruckners Musik fand am 21.11.1943 mit der Vierten Symphonie und dem Staatsorchester Athen unter Theodoros Vavayannis (1905–1988) statt. Am 12.3.1944 leitete Hans Hörner (1903–1968) die Siebente. Es folgten die Vierte (1948, 1951, 1962), die Siebente (1964) und die Fünfte unter Vavayannis (1965). 1964 leitete Andreas Paridis (1910–2000) die Erstaufführung der Dritten. 1972 folgte die Sechste und 1973 die Achte unter Georgos Basiotopoulos, 1995 die Symphonie in d‑Moll („Annullierte“) und 2000 die Neunte unter Karolos Trikolidis, 2001 Helgoland unter Viron (Byron) Fidetzis (* 1945), 2006 das Te Deum mit dem Brucknerchor Linz unter Fidetzis, 2010 die erste Fassung der Dritten unter Trikolidis. Weitere Bruckner-Aufführungen in Athen leiteten Nikos Athinäos (* 1946), Miltiades Caridis (1923–1998), Harris Illiadis, Dimitris Koutsis (1927–1988) sowie die ausländischen Gastdirigenten George Alexander Albrecht (* 1935), Franz Paul Decker (1923–2014), Hans Walter Kämpfel (1924–2016), Roberto Paternostro, Adrian Sunshine und Emil Tabakov (* 1947).

1965 erklang mit der Vierten Symphonie unter Solon Michailidis (1905–1979) erstmals ein Werk Bruckners in Thessaloniki, 1971 mit Georgos Thimis. Dann setzte sich vor allem Trikolidis mit dem Staatsorchester Athen für Bruckner ein: 1974 Dritte, 1975 Neunte, 1976 Vierte und Dritte, 1979 Zweite und Neunte, 1980 Erste (Linzer Fassung) und Sechste, 1981 Fünfte, 1984 Siebente, 1995 Symphonie in d‑Moll, 1997 die Drei Orchesterstücke, 2007 die Neunte mit Finale von Samale-Cohrs, 2008 Achte und Te Deum (mit dem Brucknerchor Linz), 2010 die erste Fassung der Dritten, 2014 Requiem in d-Moll (WAB 39) und Te Deum (H. Illiadis). Weitere Aufführungen in Thessaloniki leiteten Olaf Koch (1932–2011), Solon Michalis und Dalia Atlas (* 1933). Aufführungen in anderen Städten und auf den Inseln lassen sich bisher nicht nachweisen.

Auch ausländische Orchester, vor allem die Wiener Philharmoniker, spielten bei ihren Gastspielen immer wieder Werke von Bruckner (u. a. beim Athen Festival Herodes Atticus). Von den zeitgenössischen Komponisten Griechenlands stehen die Kompositionen von Charilaos Perpessas (1907–1995) in der Nähe des späten Bruckner.

Literatur

ANDREA HARRANDT, IOANNIS PAPAIOANNOU

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 30.9.2020

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