Festkantate (WAB 16) „Preiset den Herrn, lobsingt seinem heiligen Namen“
Kantate für vierstimmigen Männerchor, Männer-Soloquartett, B-Solo, Blasorchester und Pk. in D‑Dur
Sätze: | Chor: „Bewegt, doch nicht zu schnell“; Soloquartett und Chor: „Langsam, bittend“; Chor: „Bewegt, nicht zu schnell“; B-Solo: „Langsam, nicht schleppend“; Soloquartett a cappella: „Langsam bewegt“; Präludium; Chor a cappella; Chor: „Bewegt, nicht zu schnell“ |
Text: | Maximilian Pammesberger |
EZ: | vollendet 25.4.1862 in Linz |
UA: | 1.5.1862 in Linz (Liedertafel „Frohsinn“; Militärmusikkapelle des 13. Infanterie-Regiments „Freiherr von Bamberg“; Engelbert Lanz) |
Aut.: | Diözesanarchiv Linz (o. Sign.) |
ED: | Choral (Chor a cappella): Mit alternativem Text (V. O. Ludwig) unter dem
Titel Angelus-Läuten. Ein Marien-Choral, in: Viktor Keldorfer (Hg.), Liedertafel.
Von der Donau zum Rhein. Bd. 2. Sammlung von 144 Liedern für vierstimmigen
Männergesang. Wien–Leipzig 1912, S. 6f.; gesamte Kantate: Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 3/2, S. 197–216 (1930, Faksimile); Doblinger, Wien 1955 (Hg. Karl Etti, Klavierauszug und Stimmen) |
NGA: | Band XXII/2 (Franz Burkhart/Rudolf H. Führer/Leopold Nowak, 1987) |
In Verbindung mit dem 1854 von Papst Pius IX. ausgesprochenen Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens verkündete der Linzer Bischof Franz Joseph Rudigier am 1.5.1855, eine neue Linzer Kathedrale bauen zu lassen, die unter den besonderen Schutz Mariens gestellt und zu Ehren ihrer unbefleckten Empfängnis eingeweiht werden sollte. Die Finanzierung des gewaltigen Vorhabens erfolgte durch freiwillige Spenden aus allen Bevölkerungsschichten.
Bruckner wurde mit der Komposition einer Kantate für die Grundsteinlegung beauftragt und erhielt als Honorar („Remuneration“) 50 Gulden, was etwas mehr als ein Monatsgehalt für seine Organistendienste ausmachte. Das Werk entstand – als letzte Kantatenkomposition Bruckners – in Linz während seiner Studienzeit bei Otto Kitzler. Die Uraufführung fand am Bauplatz während der Hammerschläge bei der feierlichen Grundsteinlegung zum Neuen Dom statt. Rudigier gestaltete den Festakt als eine großangelegte Demonstration für Dogma und Kirche, an dem rund 300 Priester aus der Diözese und viele Tausende Einheimische und Fremde teilnahmen. Erst vor Kurzem wurden im Diözesanarchiv Linz die Stimmen der Uraufführung (Diözesanarchiv Linz, 470/6/29), geschrieben von Franz Schimatschek, wiederaufgefunden.
Die achtteilige Komposition wird durch drei mächtig wirkende Chor-Orchester-Sätze gegliedert und enthält dazwischen zwei Soloquartette, ein Bass-Solo, ein instrumentales Präludium und einen a cappella-Chor. Das prägnante und für die Aufführung im Freien angelegte Werk passte gut zum festlichen Anlass. Der Chorsatz ist im Vergleich zu sonstigen Werken Bruckners „bei aller Wirksamkeit als ausgesprochen leicht zu bezeichnen“ (Etti 1955, Vorwort) und kam damit dem gewohnten Repertoire und Können der Liedertafel „Frohsinn“ entgegen. Dennoch zeigt die Partitur große Fortschritte gegenüber früheren Kantaten Bruckners: Gleichberechtigung von Männerchor und Instrumentalpart, gediegene Gestaltung der Fuge „Grund und Eckstein bist du“, weitgespannte Melodik im Bass-Solo, Verklammerungstechnik durch zweimaliges Wiederaufgreifen des variierten Eröffnungschores (Rentsch, S. 297f.). Ebenso ist eine erweiterte harmonische Disposition feststellbar.
Die doch häufigeren Aufführungen – ihre lückenlose Erfassung ist unmöglich – fanden v. a. in Österreich, selten im Ausland statt (1979 Karlsruhe, 1993 Brilon, 1994 Maastricht). Der Wiener Männergesang-Verein hat sich um die Wiederbelebung des Werkes sehr verdient gemacht. Mit seinem Festkonzert am 20.11.1954 wurde es „einer jahrzehntelangen Vergessenheit entrissen“ (Etti 1955, Vorwort); die damit erzielte Wirkung bildete den Anlass für die Druckausgabe von 1955. Weitere Aufführungen durch dieses Ensemble folgten. Die Kantate stand mehrmals beim Internationalen Brucknerfest Linz auf dem Programm (1980: Linzer Theaterchor; 1982: Wiener Männergesang-Verein; 1991: Prager Männerchor; 2008: Männerchor Bruckner 08 unter Thomas Kerbl [* 1965], Alter Dom). Auf zwei CDs sind Live-Mitschnitte von Wiedergaben durch den Männergesang-Verein „Sängerlust“ aus Steyr unter Martin Fiala (* 1964) (Festkonzert [Ensemble Electronique EE-004CD] 1994) bzw. des Männerchor Bruckner 08 unter Thomas Kerbl (Anton Bruckner: Männerchöre [Gramola 98869] 2010, mit Freiheiten in der Besetzung) festgehalten.
1912 erschien in einer von V. Keldorfer in der Universal Edition (U.E.3468) herausgegebenen weit verbreiteten Liedersammlung für vierstimmigen Männerchor (s. Lit.) Bruckners siebenter Abschnitt dieser Festkantate (Chor a cappella) mit neuem Text des Klosterneuburger Augustiner-Chorherrn Vinzenz Oskar Ludwig (1875–1959) unter dem Titel Angelus-Läuten. Ein Marien-Choral. Dieser 24-taktige Abschnitt kam in den nachfolgenden Jahrzehnten sowohl in Ludwigs Neutextierung als auch in der Bearbeitung für Bläser-Sextett von Karl Stiegler (1876–1932) oftmals zur Aufführung, u. a. am 3.4.1924 durch den MGV St. Pölten im dortigen Dom (unter dem Titel Gottvertrauen, der auf folgender Anmerkung Keldorfers in der genannten Liedersammlung beruhen dürfte: „Die Strophen a, b und c haben allgemein religiösen Inhalt und sind unter dem Titel „Gottvertrauen“ zusammenzufassen.“), am 18.12.1924 durch den Sängerverein Knittelfeld, am 25.12.1927 beim Turmblasen in der Wiener Jesuitenkirche am Hof, beim Kirchenkonzert zugunsten des Fonds zur Renovierung der Karlskirche im Juni 1931 unter der Leitung von Max Keldorfer und beim Brucknerfest in Klosterneuburg im Oktober 1932 durch den Wiener Lehrer-a cappella-Chor unter der Leitung von Hans Wagner-Schönkirch.
Eine weitere Textversion von Herbert Vogg mit dem Titel Festkantate zur Weihnacht wurde 1993 vom Wiener Männergesang-Verein unter Gerhard Track in der Wiener Votivkirche, allerdings mit Orgelbegleitung, aufgeführt (1994 im Österreichischen Fernsehen). Von Track stammt auch eine Fassung für gemischten Chor (Aufführung 1995 in St. Stephan, Wien).
Literatur
- Konrad Meindl, Leben und Wirken des Bischof Franz Joseph Rudigier von Linz. Linz 1891, Bd. 1, S. 384–419 u. 536–578
- Viktor Keldorfer (Hg.), Liedertafel. Von der Donau zum Rhein. Bd. 2. Sammlung von 144 Liedern für vierstimmigen Männergesang. Wien–Leipzig 1912, S. 6f.
- Eine Stunde musikalischer Erbauung, in: St. Pöltner Zeitung 10.4.1924, S. 2
- Knittelfeld, 18. Dezember (Liederabend), in: Neues Grazer Tagblatt 20.12.1924, S. 8
- Weihnachtssingen und Turmblasen, in: Kleine Volks-Zeitung 27.12.1927, S. 5
- Das Kirchenkonzert in der Karlskirche, in: Reichspost 14.6.1931, S. 14
- Vom Brucknerfest in Wien. Bruckner-Gedenkfeier [in Klosterneuburg], in: [Linzer] Tages-Post 26.10.1932, S. 3
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 3/1, S. 134–139
- Karl Etti, Fest-Cantate. Klavierauszug und Stimmen. Wien 1955
- Harry Slapnicka, Franz Joseph Rudigier, in: Rudolf Zinnhobler (Hg.), Die Bischöfe von Linz. Linz 1985, S. 123–126
- Rudolf Zinnhobler, Text der Festkantate zur Grundsteinlegung des Neuen Domes in Linz, in: Neues Archiv für die Geschichte der Diözese Linz 4 (1985/86) H. 3, S. 226 [mit Faksimile des Kantatentext-Druckes]
- Bernhard Prokisch, Das Verhältnis zur kirchlichen Kunst, in: Rudolf Zinnhobler (Hg.), Bischof Franz Joseph Rudigier und seine Zeit. Linz 1987
- Ivana Rentsch, Weltliche Vokalmusik, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 290–309
- Stéphane Buchon, Le catalogue historique de la maison d'édition musicale Universal-Edition (1901–1932). Diss. Berlin 2015
- Robert Klugseder/Ikarus Kaiser, Wiederentdeckung eines umfangreichen Korpus an Abschriften des Linzer Dom-Musikarchivs, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 17 (Juni 2016), S. 4–10