Pange lingua (WAB 31,1-2; 33 und WAB add 333) „Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium“
Hymnus des Thomas von Aquin, der zu Fronleichnam, bei Sakramentsprozessionen oder sakramentalen Segensandachten gesungen wird. Der Text ist ein Lobpreis des Altarssakramentes. Die 5. Strophe, „Tantum ergo sacramentum“ wurde sehr oft, u. a. auch mehrmals von Bruckner (Tantum ergo), als eigenständige Komposition vertont.
Das in 1. Band der Biografie von Göllerich–Auer (Göll.-A. 1, S. 202f.) als Werk Bruckners aus der Zeit in Windhaag angegebene Pange lingua stammt von Franz Joseph Aumann. Im Nachlass Bruckners befand sich eine vermutlich von Karl Aigner angefertigte Partiturabschrift dieses Stücks (Stift St. Florian, Bruckner‑Archiv, 20/78; s. Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian II, S. 254f.).
Pange lingua (WAB 31,1-2)
Hymnus für vierstimmigen gemischten Chor a cappella in C‑Dur, „Langsam“
Text: | Thomas von Aquin |
EZ: |
1. Fsg.: zwischen 1835 und 1837 in Hörsching (NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet) XXI: 1835 oder 1836) 2. Fsg.: 19.4.1891 in Wien |
UA: | 2. Fsg.: 26.12.1891 (?) in Klosterneuburg (?) (vgl. Stift Klosterneuburg, Musikarchiv, 198,3, Partitur- und Stimmen- As.) |
Aut.: |
1. Fsg.: verschollen; ÖNB‑MS (Mus.Hs.19712, As. von Franz Xaver
Bayer) 2. Fsg.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.3184) |
ED: |
1. Fsg.: Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1,
S. 228 (1928, nach der As. von Franz Xaver
Bayers) 2. Fsg.: Max Auer, Anton Bruckner als Kirchenmusiker. Regensburg 1927, bei S. 184 (Faksimile); Anton Bruckner. Kleine geistliche Werke. Wilhelm Berntheisel, München 1929 (Max Auer; mit hinzugefügtem „Amen“) |
NGA: | Band XXI (Hans Bauernfeind/Leopold Nowak, 1984) und Revisionsbericht (1984) |
Max Auer lagen, zusätzlich zum Autograf, zwei alte Abschriften der 2. Fassung vor, die „Pange lingua. von Allegri. Harmonisiert von Anton Bruckner.“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.19713) bzw. „Pange lingua von Allegri. Harmonisirt von Anton Bruckner“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.33184) überschrieben sind, was Auer jedoch in einem Fall (ÖNB‑MS, Mus.Hs.33184) durchstrich. Dass es sich unzweifelhaft um ein eigenes Werk des jungen Bruckner, nicht um eine Bearbeitung einer fremden Komposition handelt, wird dadurch bestätigt, dass Bruckner sein Jugendwerk 1891 „restaurierte“, d. h. korrigierte. Wie Auer (Göll.-A. 2/1, S. 227) schon richtigstellte, ist diese kleine Komposition nicht nach den Studien bei Johann August Dürrnberger anzusetzen, wie es August Göllerich getan hatte.
Pange lingua (WAB 32)
recte Tantum ergo (WAB 32)
Pange lingua et Tantum ergo (WAB 33)
Hymnus für vierstimmigen gemischten Chor a cappella, phrygisch
Text: | Thomas von Aquin |
EZ: | 31.1.1868 in Linz |
UA: | 1890 in Steyr (Franz Xaver Bayer) (?) |
Aut.: | ÖNB‑MS (Mus.Hs.3157) |
ED: | Musica sacra 18 (1885), 11. Musikbeilage (mit nicht autorisierter Korrektur); Tantum ergo für Sopran, Alt, Tenor und Baß. Gross (Reiss), Innsbruck 1895 |
NGA: | Band XXI (Hans Bauernfeind/Leopold Nowak, 1984) und Revisionsbericht (1984) |
Das von Bruckner mit „Pange lingua et Tantum ergo“ überschriebene Werk wurde von ihm am Anfang seines letzten Linzer Jahres als zur Messe in e‑Moll passend komponiert, zu der es auch, ebenso wie zum zeitlich benachbarten Schutzengelhymnus In Sanctum Angelum custodem hymnus starke Bezüge aufweist. Bruckner kam damit dem Geschmack des Cäcilianismus entgegen. Zur geplanten Uraufführung bei der Konsekration der Votivkapelle des Neuen Domes in Linz kam es jedoch nicht; sie erfolgte vermutlich erst im Jahr 1890 durch Franz Xaver Bayer in Steyr.
Als der Gründer des Allgemeinen Deutschen Cäcilien-Vereins, Franz Xaver Witt, 1885 an Bruckner mit der Bitte herantrat, ein Werk als Notenbeilage für die Zeitschrift Musica sacra zur Verfügung zu stellen, widmete Bruckner sein phrygisches Pange lingua diesem Zweck, musste jedoch im Belegexemplar des fertigen Druckes bemerken, dass Witt am Schluss eigenmächtig einen Nonvorhalt zu einer Oktave geglättet hatte. Dies ärgerte Bruckner umso mehr, als die Motette auch in eine Serie Eucharistische Gesänge (1888) aufgenommen wurde – wieder mit der von Bruckner nicht sanktionierten Korrektur. Erst der 1895 in Innsbruck erschienene Druck stellte die ursprüngliche Lesart wieder her.
Trotz seiner scheinbaren, sich ganz der Liturgie unterordneten Schlichtheit steht das Werk den berühmteren Motetten durchaus ebenbürtig zur Seite: „Die harmonischen Aspekte sind im ‚Pange lingua‘ vielfältiger, als der Blick auf das einfache Satzbild zunächst erwarten läßt. Mit der Wahl der modalen phrygischen Tonart greift Bruckner auf satztechnische Besonderheiten des Cantionalstils zurück, die er mit Elementen romantischer Harmonik zu einer staunenswerten Einheit verbindet.“ (Horn, S. 280).
Anlässlich der Aufführung in Steyr im Jahre 1890 gestand Bruckner seinem Freund Franz Xaver Bayer, dieses sei sein „Lieblings-Tantum ergo“ (Göll.-A. 3/1, S. 503).
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1, S. 227–230, und 3/1, S. 499–503
- Erwin Horn, Anton Bruckner: Motetten – Pange lingua, in: Musica sacra 101 (1981) H. 4, S. 279–285
- Melanie Wald-Fuhrmann, Geistliche Vokalmusik, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 224–289
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IIElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 2: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 13–23) (Wiener Bruckner-Studien 6/2). Wien 2015, S. 254f.
- Johannes Leopold Mayer, Ein neuer Bruckner-Fund in Klosterneuburg, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 2011–2014, S. 113–120
- Franz Scheder, Ein bisher unbekannter Bruckner-Brief, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 17 (Juni 2016), S. 11ff.
ELISABETH MAIER
Pange lingua (WAB add 333)
Hymnus für vierstimmigen gemischten Chor a cappella in C‑Dur
Text: | Thomas von Aquin |
EZ: | ? |
Aut.: | Stift St. Florian, Bruckner‑Archiv (20/78, As. von Karl Aigner und August Göllerich) |
ED: | Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 202f. (1922) |
Dieses Pange lingua in C‑Dur von Franz Joseph Aumann wurde fälschlicherweise Bruckner zugeschrieben (Incerta und Falsa). Peter Dormann führt im thematischen Katalog Aumanns dieses Pange lingua unter VIII/13 an (Dormann, S. 304). Drei Partiturabschriften mit teilweise falscher Schreibweise („Pange linqua“) und ungeübter Textunterlegung sind im Bruckner‑Archiv des Stiftes St. Florian erhalten.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 200–203
- Peter Dormann, Franz Joseph Aumann (1728–1797). Ein Meister in St. Florian vor Anton Bruckner. Mit thematischem Katalog der Werke (Studien zur Landes- und Sozialgeschichte der Musik 6). München–Salzburg 1985
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IIElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 2: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 13–23) (Wiener Bruckner-Studien 6/2). Wien 2015, S. 254f.
ANDREA SINGER