Stein, Horst (Walter)

* 2.5.1928 Elberfeld, Nordrhein-Westfalen/D (heute Stadtteil von Wuppertal), † 27.7.2008 Vandœuvres/CH. Dirigent.

Nach Besuch des vom späteren Leipziger Thomaskantors Kurt Thomas (1904–1973) geleiteten Musischen Gymnasiums in Frankfurt am Main (Klavier, Oboe, Schlagzeug, Gesang) und dem Studium an der Kölner Hochschule für Musik (1945–1947), wo er von Günter Wand im Hauptfach Dirigieren und Philipp Jarnach (1892–1982) in der Kompositionsklasse unterrichtet wurde, ging er 1947–1951 als Korrepetitor nach Wuppertal und 1951–1955 nach Hamburg, wo er auch als Kapellmeister an der Staatsoper eingesetzt wurde und schon ab 1952 als Assistent von Joseph Keilberth, Hans Knappertsbusch, Clemens Krauss und Herbert von Karajan zu den Bayreuther Festspielen reisen konnte, bei denen er später (1969–1986) regelmäßig selbst dirigierte (insgesamt 138 Vorstellungen). 1955 wurde er von Erich Kleiber zunächst als Staatskapellmeister, bald darauf zum koordinierten Generalmusikdirektor ernannt, an die Staatsoper Unter den Linden in Berlin engagiert, verließ aber 1961 nach dem Mauerbau die Deutsche Demokratische Republik, wurde für zwei Jahre stellvertretender Generalmusikdirektor an der Hamburgischen Staatsoper unter Intendant Rolf Liebermann (1910–1999), 1963–1970 Generalmusikdirektor und Operndirektor in Mannheim, 1969–1972 Erster Dirigent der Wiener Staatsoper (dort bis 1999 insgesamt 532 Vorstellungen von 38 verschiedenen Opern) und 1972–1977 Generalmusikdirektor in Hamburg, wo er – wie 1959–1961 schon in Berlin – auch eine Professur für Dirigieren an der Musikhochschule übernahm. 1970–1991 bestand eine enge Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern (41 Konzerte, darunter Bruckners Zweite, Dritte und Sechste Symphonie) und 1970–1998 mit den Wiener Symphonikern (1978 mit dem Titel Gastdirigent; 118 Konzerte, darunter Zweite, Vierte und Sechste Symphonie). Es folgten nach Hamburg die Positionen des Chefdirigenten beim Orchestre de la Suisse Romande (1978–1985), bei den Bamberger Symphonikern (1985–1996) und beim Basler Symphonieorchester (1987–1994). Mit den erwähnten Orchestern unternahm er regelmäßig Tourneen. Stein dirigierte 1985–1989 auch bei den Salzburger Festspielen mehrere Konzerte und Opernaufführungen. Auch in Linz gastierte er erfolgreich (1983/84–1998/99), besonders während der Internationalen Brucknerfeste Linz: 1985 bei der Klassischen Klangwolke mit Bruckners Sechster Symphonie (mit den Bamberger Symphonikern vor 90.000 Zuhörern im Donaupark), 1987 mit der Zweiten und der Fünften, 1990 mit der Siebenten (in der Stiftskirche in St. Florian), 1993 mit der Ersten, 1995 mit der Fünften, 1996 mit der Neunten und dem Te Deum, 1997 mit der Dritten (wieder in St. Florian), 1992 auch mit der konzertanten Aufführung von Richard Wagners Oper Der Fliegende Holländer. Er war zudem Gastdirigent bedeutender Orchester, so der Berliner Philharmoniker, des London Philharmonic Orchestra, des Gewandhausorchesters Leipzig, der Staatskapelle Dresden, des Israel Philharmonic Orchestra und des NHK-Sinfonieorchesters Tokyo sowie bei Orchestern in Paris, Buenos Aires und den USA.

Am 2.6.1999 brach er bei einem Gastspiel mit den Bamberger Symphonikern während des Festivals Prager Frühling am Pult mitten in der Aufführung der Vierten Symphonie von Johannes Brahms zusammen. Danach zog er sich aus gesundheitlichen Gründen in die Schweiz zurück und trat nur noch selten ans Pult, so z. B. 2000 in Wuppertal mit Bruckners Fünfter, 2001 in Bamberg mit der Dritten Symphonie.

Neben seiner großen Erfahrung in einem umfangreichen Repertoire wurde besonders die Gestaltung der Balance zwischen den Sängern und dem Orchester hervorgehoben, womit er auch als bedeutender Interpret besonders der Wagner-Opern galt. Stein, der als Operndirigent begann, hatte dann auch als Konzertdirigent eine Vorliebe für die Klassik, Romantik, Spätromantik und auch für zeitgenössische Kompositionen, wobei natürlich 0ft auch die Symphonien Bruckners auf seinen Konzertprogrammen standen. Er fühle sich nicht als „Stardirigent“, sondern als „ein Dirigent, der gern mit guten Musikern gute Musik macht. Ich bin ein Diener der Musik. Selbstdarstellungen schätze ich grundsätzlich nicht“ (Kutschera, S. 11).

„Seine Fähigkeit, alle Schichten einer Partitur lebendig zu machen, verdankte sich gewiss perfekter Beherrschung des Handwerks – gleichzeitig entstammte sie tiefer Musikalität.“ (Berliner Zeitung). Seine hoch gelobten Interpretationen der Bruckner-Symphonien (The Telegraph) sind seit 1972 zum Teil auch auf CD überliefert, mit den Bamberger Symphonikern (Erste, Zweite, Vierte und Fünfte Symphonie), mit den Wiener Philharmonikern (Zweite und Sechste Symphonie) und angeblich (2000, vermutlich Privatmitschnitt) mit dem Sinfonieorchester Wuppertal die Fünfte Symphonie.

Neben Ehrenmitgliedschaften des Nationaltheaters Mannheim und der Wiener Staatsoper erhielt er u. a. 1996 den Brucknerring der Wiener Symphoniker sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. 2003 wurde ihm der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst verliehen.

Literatur

UWE HARTEN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 2.5.2019

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Stein, Horst (Walter): 124017517

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