Nürnberg

Zweitgrößte Stadt des deutschen Freistaats Bayern, Zentrum Mittelfrankens; Industrie- und Handelsstadt. Historisch getreuer Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. 1861: ca. 60.000, 1875: ca. 91.000, 2019: ca. 518.000 EW.

Bruckners erster Aufenthalt in Nürnberg war zugleich der für ihn wichtigste: Beim Sängerfest vom 20. bis 22.7.1861, wo er als Leiter der Liedertafel „Frohsinn“ Lob und Anerkennung erntete, traf er auf wichtige Mitglieder des Wiener Männergesang-Vereins (August Silberstein, Eduard Kremser, Johann Herbeck u. a.). Zehn Jahre später, am 21.7.1871, kam Bruckner wieder für einige Tage nach Nürnberg: Er besuchte den ihm seit 1861 bekannten Bleistiftfabrikanten Franz Zimmermann – über dessen Schwester Toni, für die Bruckner „entflammt“ war, ließ er August Göllerich noch 1890/91 Nachforschungen anstellen –, der ihn Ende Juli 1871 auf der Weiterfahrt nach London begleitete. Nachweisbare Brief-Kontakte zwischen beiden: 1.12.1871 (Reminiszenzen an die London-Reise; Briefe I, 711201), 19.9.1872 (Planung eines Besuches der Weltausstellung Wien 1873; Briefe I, 720919) und 7.8.1873 (Einladung für einen Nürnberg-Besuch von Marienbad aus; Briefe I, 730807). Ob dieser Besuch Mitte September 1873 zustande kam, ist nicht überliefert. Von späteren Kurzaufenthalten in Nürnberg, meist auf der Rückreise von den Bayreuther Festspielen, gibt es nur anekdotische Berichte (nach dem 30.8.1876: Besichtigung der Folterkammer auf der Burg).

Nur wenige Nürnberger Zeitgenossen lassen sich mit Bruckner in Verbindung bringen; den gemeinsamen Knotenpunkt hat man wohl im Wagner-Kreis zu suchen: In dem späteren Bürgermeister Ferdinand Jäger fand Bruckner von Anbeginn einen wohlwollenden Zeitungsreferenten; der Dirigent Karl Frank kannte Bruckner vermutlich aus Bayreuth oder durch Otto Kitzler in Brünn. Dass Franz Liszt bei seinen Besuchen in Nürnberg für Bruckner geworben haben könnte, ist eher unwahrscheinlich; auch Listzs Biografin Lina Ramann (1833–1912), Leiterin einer Nürnberger Musikschule, soll sich 1886 sehr abfällig über Bruckner geäußert haben. Göllerich jedoch, der im September 1890 die Leitung der Ramann-Volkmann‘schen Musikschule in Nürnberg übernahm, setzte sich wirkungsvoll für Bruckner ein. Zwar ist er für die erste Aufführung eines Bruckner-Werkes in Nürnberg (Siebente Symphonie am 23.1.1888) noch nicht als Vermittler anzusehen, vermutlich aber (mit Gustav Schönaich) für die der Dritten unter Karl Frank (am 27.3. [nicht 14.2.] 1891), das Konzert am 28.10.1891 (Vierte) geht auf Göllerichs alleinige Initiative zurück. Von den angeblichen weiteren Aufführungen konnte bisher nur eine Klavieraufführung des Adagio der Dritten Symphonie am 18.11.1890 nachgewiesen werden.

Die bisher bekannt gewordenen Nürnberger Aufführungen der „Pionierzeit“ waren: Siebente Symphonie (19.2.1902), Germanenzug (16.11.1903), Te Deum (November/Dezember 1903 und November 1904), Siebente (November 1904), Vierte (Juni [?] 1906 und 1907/8), Neunte Symphonie (Frühjahr 1908), Streichquintett in F-Dur und Fünfte (Bayerisches Musikfest Pfingsten 1908) sowie Dritte Symphonie (12.1.1910).

Die bisher erst lückenhaft erfassten Aufführungsmeldungen der folgenden Jahrzehnte verzeichnen neben dem vereinzelten Erklingen kleinerer Chorwerke überwiegend Konzerte mit den großen Chorwerken: so mit dem Te Deum (1913, 1920, 1938, zwischen 1956 und 1997 mindestens elf Aufführungen), der Messe in f‑Moll (1913, 1928, 1952, 1959, 1964) und der Messe in e‑Moll (1936, 1948 – mit dem Psalm 150 – und 1968). Ein Großteil dieser Aufführungen ist dem Nürnberger Lehrergesangverein zu verdanken, der von den 1960er bis 1980er Jahren häufig das Te Deum mit einer Symphonie Bruckners kombinierte. Zunehmend fand in den letzten Jahrzehnten Bruckners Werk Zugang auch in das Repertoire anderer Chöre (z. B. des Hans-Sachs-Chors) und der Kirchenchöre – stellvertretend seien hier der Palestrina-Chor unter Rolf Gröschel (* 1937) und die Chöre von St. Lorenz (unter Hermann Harrassowitz [* 1930] und Matthias Ank [* 1959]) genannt.

Eine gründliche Untersuchung der Aufführungen von Orchesterwerken in der Vorkriegszeit steht noch aus. Die wenigen bislang bekannten Daten weisen darauf hin, dass die Pflege symphonischer Werke überwiegend berühmten und mit Bruckner vertrauten Gastdirigenten oblag, beispielsweise Robert Heger (1929 Sechste Symphonie), Otto Klemperer (1930 Fünfte Symphonie), Franz Schalk (1931), Hans Weisbach (1933 Siebente Symphonie) und Siegmund von Hausegger (1937 Fünfte Symphonie).

Im heutigen Nürnberger Konzertleben haben sich Bruckners symphonische Werke wie allerorts als fester, aber kleiner und leider wenig variabler Bestandteil etabliert: Die beliebten Standardwerke sind relativ oft zu hören (anfänglich meist von Tournee-Orchestern, seltener – aber zunehmend häufiger – von den beiden einheimischen Ensembles, den Nürnberger Symphonikern und den Nürnberger Philharmonikern). Ähnliches gilt in kleinerem Maßstab auch für die Kirchenmusik, und die Raritäten machen ihrem Namen auch in Nürnberg alle Ehre. Experimentelles sucht man vergebens. Als Besonderheit sei aber vermerkt, dass der Psalm 146 am 28.11.1971 in Nürnberg seine erste (gesicherte) Aufführung erlebte. Schließlich wurden 1990 erstmals in Nürnberg wichtige Orgeltranskriptionen Bruckner‘scher Symphoniesätze durch Erwin Horn in der Frauenkirche auf Tonträger aufgezeichnet (Bearbeitungen).

Literatur

FRANZ SCHEDER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.8.2020

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