Schweden (Rezeption)

Die erste Aufführung eines Bruckner-Werkes in Schweden fand am 10.2.1900 in Stockholm statt, als die Kungliga Hovkapellet (Königliche Hofkapelle) unter der Leitung von Wilhelm Stenhammar (1871–1927) die Siebente Symphonie interpretierte. Zehn Tage später leitete derselbe Dirigent die Aufführung des Te Deum durch die Hovkapellet und den Chor der Filharmoniska Sällskapet (Philharmonische Gesellschaft). In den folgenden Jahren wurden die wenigen, aber kontinuierlich stattfindenden Konzerte von Stenhammar, Tor Aulin (1866–1914), Armas Järnefelt (1869–1958), Georg Schnéevoigt u. a. geleitet.

1906 führte der Violinist und Kammermusiker Aulin mit seinem Aulin Quartett und dem Violinisten Axel Runnquist (1880–1947) Bruckners Streichquintett in F-Dur auf und machte es so in Schweden bekannt.

Stenhammar war nicht nur Dirigent, sondern auch als Komponist tätig. In seinen beiden eigenen Symphonien ortet Bo Wallner Einflüsse Bruckners; er selbst hat seine Erste Symphonie als „idylischer Bruckner“ bezeichnet (Wallner, Bd. 2, S. 163ff., Bd. 3, S. 170, 193, 207).

In den 1920er und 1930er Jahren häuften sich die Bruckner-Aufführungen in Schweden. Einer der führenden Bruckner-Dirigenten zu dieser Zeit war Tor Mann (1894–1974). Während in den 1940er Jahren weniger Bruckner gespielt wurde, gab es ab den 1950er Jahren wieder mehr Bruckner-Konzerte. Ein Höhepunkt in der Aufführungsfrequenz wurde in den 1970er und 1980er Jahren erreicht. 1972–1981 fanden rund 100 Aufführungen größerer Werke Bruckners statt (vgl. Marschner 1991). 1967 wurde der noch bestehende Verein der Svenska Brucknersällskapet (Schwedische Bruckner-Gesellschaft) in der Universitätsstadt Lund gegründet. Heute (2020) ist Sven-Arild Widén aus Malmö deren Präsident (Bruckner-Gesellschaften).

Seit 1990 hat die Zahl der Bruckner-Aufführungen wieder abgenommen, um im 100. Todesjahr wieder einen Höhepunkt zu erreichen. Von 16. bis 27.4.1996 fand in Stockholm ein Bruckner Festival statt. Allerdings hat es innerhalb einer Saison noch nie eine zyklische Aufführung aller Symphonien Bruckners gegeben.

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs leiteten nicht-schwedische Dirigenten einen Großteil der Bruckner-Aufführungen: Wilhelm Furtwängler, Max Fiedler (1859–1939), Siegmund von Hausegger, Hermann Abendroth, Wilhelm Sieben (1881–1971), Hans Weisbach, Franz Schalk, Oswald Kabasta, Fritz Busch (1890–1951), Georg Göhler, Eugen Jochum, Sergiu Celibidache, Rafael Kubelik, Rolf Agop (1908–1998), Kurt Wöss, Jascha Horenstein, Dean Dixon (1915–1976), Heinz Wallberg, Alan Gilbert (* 1967), Manfred Honeck (* 1958) und Mario Venzago (* 1948). Der Schwede Herbert Blomstedt dirigierte mehr Bruckner-Aufführungen sowohl in Schweden als auch im Ausland als jeder andere nordische Dirigent.

Bruckners Motetten sind bei vielen schwedischen Chören beliebt: Radiokören (Schwedischer Radiochor, 1952–1983 unter der Leitung von Eric Ericson [1918–2013]), Hägerstens motettkör (Hägersten Motettenchor, 1965–1995 unter Ingemar Månsson [* 1929]), Malmö Kammarkör (Malmö Kammerchor, seit 1975 unter der Leitung von Dan-Olof Stenlund [* 1937]) und Lunds Vokalensemble (1995–2013 unter der Leitung von I. Månsson).

Zwei prominente Anwälte Bruckners unter den schwedischen Musikkritikern waren die Komponisten Kurt Atterberg (1887–1974) und Sten Broman (1902–1983). Wilhelm Peterson-Berger (1867–1942), Komponist als auch sehr kontroverser und gefürchteter schwedischer Musikkritiker seiner Zeit, schrieb mit sehr viel Hochachtung über Bruckner bei dessen Erstaufführung 1900. Später wurde Peterson-Berger kritischer gegenüber Bruckners Musik und verwendete Schmähungen wie „Mammutsymphonien eines alten Organisten“ (Marschner 1994, S. 19ff.; Wallner, Bd. 2, S. 165).

Die wissenschaftliche Rezeption Bruckners in Schweden ist spärlich. Tobias Norlind (1879–1947), ein Pionier der schwedischen Musikwissenschaft, schrieb einen Artikel über Bruckner für sein Allmänt musiklexikon (Allgemeines Musiklexikon. Bd. 1. Stockholm 1916, S. 123f.), in dem er anmerkt, dass in Stockholm Bruckners Musik „oft und mit Freude“ (S. 124) seit ihrer Erstaufführung 1900 gehört wird. Der erste schwedische Professor für Musikwissenschaft, Carl-Allan Moberg (1896–1978), widmete einen Abschnitt seines Buches Kyrkomusikens historia (Geschichte der Kirchenmusik. 1932) Bruckner. Insgesamt ist dieses Buch von den Idealen der Neuen Sachlichkeit gekennzeichnet, aber es zeigt auch Mobergs Bewunderung für Bruckner. Der Musikkritiker und Musikbibliothekar Åke Lellky (1903–1975) schrieb den Artikel über Bruckner in Sohlmans musiklexikon (Sohlman‘s Enzyklopädie der Musik. 1948–1952). Der Musikwissenschaftler Hans Eppstein (1911–2008), Student von Ernst Kurth in Bern, schrieb Artikel über Bruckner im schwedischen Musiklexikon Tonkonsten: internationellt musiklexikon (Die Tonkunst: ein internationales Musiklexikon. Stockholm 1955–1957) und in der 2. Auflage von Sohlmans musiklexikon (1975–1979) sowie den Artikel Bruckner und das Triviale in der ÖMZ (s. Lit.).

Eine Bruckner-Rezeption findet sich im schwedischen Film. Im Kinofilm Trolösa (Die Treulosen, 2000) dirigiert einer der Protagonisten das Finale von Bruckners Fünfter Symphonie; in Saraband (2003) hört eine Person sehr intensiv das Scherzo der Neunten Symphonie. Laut seiner Ex-Frau Käbi Laretei (1922–2014) hat der Drehbuchautor dieser Filme, Ingmar Bergman (1918–2007), selbst Bruckner gehört (s. Lit.). Im Kinofilm Så som i himmelen (Wie im Himmel, 2004) dirigiert die Hauptfigur einen Teil aus Bruckners Zweiter Symphonie.

Literatur

TOBIAS LUND

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 23.9.2020

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