Schalk, Franz

* 27.5.1863 Wien/A, † 3.9.1931 Edlach an der Rax, Niederösterreich/A. Geiger, Dirigent und Operndirektor.

1878–1881 Studium am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien: Violine bei Joseph Hellmesberger, Klavier bei Julius Epstein, Musiktheorie bei Bruckner. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Josef Schalk war er bald Mitglied des engsten Kreises um Bruckner (Freundeskreis), von dem er als „Francisce“ (Spitznamen) angesprochen wurde und als dessen Lieblingsschüler er galt. Bruckner gab ihm den Rat, die Kapellmeisterlaufbahn einzuschlagen. Ab 1884 absolvierte Schalk in kurzer Folge Engagements an zahlreichen Provinztheatern der Monarchie; die ersten Stationen waren Olmütz, 1884 Czernowitz (Cernivci/UA), 1887 Karlsbad und Breslau, 1889–1895 Graz. Ab 1895 war Schalk Kapellmeister am Deutschen Landestheater Prag, 1898 an der Königlichen Oper Berlin. 1900 berief ihn Gustav Mahler zum Ersten Kapellmeister an die Wiener Hofoper, 1918 wurde er zum Direktor dieses Instituts ernannt, das er 1919–1924 gemeinsam mit Richard Strauss, 1924–1929 in alleiniger Verantwortung leitete. In den Folgejahren trat F. Schalk an der Wiener Oper nur noch als Gastdirigent auf; 1930 wurde ihm der neugeschaffene Titel eines österreichischen GMD verliehen. 1904–1921 leitete F. Schalk als Nachfolger Ferdinand Löwes die Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1909–1919 die Dirigentenklasse und die öffentlichen Opernvorstellungen am Wiener Konservatorium.

Als Konzertdirigent hatte Schalk große Erfolge mit der Leitung der Philharmonischen Konzerte; er machte das Wiener Publikum mit den ungekürzten Werken Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels (1685–1759) bekannt und war insbesondere an der Pflege des a-cappella-Gesanges interessiert. Konzert- und Opernreisen führten ihn durch ganz Europa: Er gastierte mit dem Wiener Opernensemble in Genf (1923), Paris (1924 und 1928), Köln (1928) und Stockholm (1929) und unternahm mit den Wiener Philharmonikern Konzertreisen nach London (1906), Genf (1923), Paris (1928) und Zagreb (1929). 1927–1931 war F. Schalk Dirigent der Konzertvereinigung des Wiener Staatsopernchores und der Wiener Hofburgkapelle.

Als Mitglied des engagierten Schülerkreises, den Bruckner um sich sammelte, trat F. Schalk bereits früh für den von ihm verehrten Komponisten ein: Er bewog 1881 Felix Mottl zur Aufführung der Vierten Symphonie und begleitete Bruckner zur Uraufführung der Siebenten Symphonie am 30.12.1884 in Leipzig, deren Aufnahme durch das Publikum ihm – wie aus dem Brief an seinen Freund Richard Spur ersichtlich – sehr zurückhaltend erschien. An der Neufassung der Dritten Symphonie (Fassung 1888/89) war er (mit Wissen und Wollen Bruckners) wesentlich beteiligt; seinem eigenem Antrieb hingegen entstammte die tiefgreifende Uminstrumentation und Kürzung der Fünften Symphonie (1892/93), deren Uraufführung er am 9.4.1894 in Graz leitete. Bruckner musste dem Ereignis krankheitsbedingt (Krankheiten und Tod Bruckners) fernbleiben. Aus dem Briefwechsel der Brüder Schalk geht hervor, dass die Bearbeitung in der Zeit von Frühjahr 1892 bis Herbst 1893 entstand und F. Schalk sich bei diesen Eingriffen mit seinem Bruder Josef beriet, der den Kontakt zwischen seinem in Graz engagierten Bruder und Bruckner aufrechterhielt. F. Schalks Eingriffe betrafen die Tempoproportionen, die Instrumentation, die Dynamik und v. a. die Satzlängen; im Finale strich Schalk 123 Takte und kürzte damit nicht nur die Durchführung, sondern auch die Reprise, die nunmehr den Hauptsatz (Kopfsatz) und die „Gesangsperiode“ nicht mehr enthielt, womit das formal-architektonische Gleichgewicht des Satzes markant verändert wurde. Die von F. Schalk bearbeitete Fassung, deren auffälligstes Element in der Hinzufügung eines gesondert aufgestellten Blechbläserensembles im Finalsatz bestand, war Grundlage für den Erstdruck des Werkes (Doblinger, Wien 1896). In dieser Bearbeitung wurde das Werk weltweit bekannt, bis diese 1935 durch die in der Bruckner-Gesamtausgabe erschienene Originalfassung abgelöst wurde.

Im frühen 20. Jahrhundert galt F. Schalk neben F. Löwe als der authentische und berufene Bruckner-Dirigent schlechthin. Er wurde Präsident der Internationalen Bruckner‑Gesellschaft und genoss das Prestige einer unantastbaren Autorität in Sachen Bruckner. Dies sollte sich bereits wenige Jahre nach seinem Tod im Zuge der Kontroverse um die Bruckner‘schen Originalfassungen tiefgreifend ändern, wobei v. a. der Wiener Musikforscher Robert Haas, der Herausgeber der Bruckner-Gesamtausgabe, zu einer äußerst negativen Einschätzung von Funktion und Bedeutung des Bruckner‘schen Schülerkreises in der Frage der Bearbeitungen gelangte. Heute gilt die Beziehung der Brüder Schalk zu Bruckner noch immer als umstritten; einem vielfältigen und aufopferungsvollen Engagement stehen Eigenmächtigkeiten und Manipulationen am originalen Notentext gegenüber. In späteren Jahren distanzierte sich F. Schalk von den Erstdruckfassungen und trat für Bruckners Originalfassungen ein, ohne sich allerdings zu der von ihm durchgeführten Bearbeitung der Fünften Symphonie zu bekennen. 1930 wurde er von R. Haas und Max Auer gebeten, die Sechste Symphonie in der Gesamtausgabe herauszugeben; noch bevor dieses Vorhaben realisiert werden konnte, starb F. Schalk 1931.

F. Schalks persönliche Bruckner-Sicht ist im ausführlichen Briefwechsel mit seinem Bruder Josef dokumentiert, die Nachlassmaterialien befinden sich großteils in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Während J. Schalks Beziehung zu Bruckner mehrfach Spannungen ausgesetzt war, blieb F. Schalks Verhältnis zum verehrten Komponisten ungetrübt. Unzweifelhaft ist sein stetes Bestreben, der Substanz des Bruckner‘schen Werkes zum Durchbruch zu verhelfen. Deutlich kommt Schalks Haltung Bruckner gegenüber in dem Brief an den Komponisten nach der Uraufführung der Fünften Symphonie am 9.4.1894 zum Ausdruck: „Sie werden gewiss schon mündlichen Bericht haben über die ungeheure Wirkung, die Ihre grosse herrliche ‚V.‘ hervorrief. Ich kann hier nur beifügen[,] dass der Abend für die Zeit meines Lebens zu den herrlichsten Erinnerungen zählen wird, deren ich je theilhaftig werden konnte. Tief ergriffen, beglückt in den Gefilden ewiger Grösse wandelnd fühlte ich mich.“ (Briefe II, 940410).

Werke
  • Bearbeitungen zahlreicher Opern
Schriften
  • Briefe und Betrachtungen. Mit einem Lebensabriß von Victor Junk. Veröffentlicht von Lili Schalk. Wien 1935
Literatur

THOMAS LEIBNITZ

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 14.1.2019

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Abbildungen

Abbildung 1: Franz Schalk, aus: Wiener musikalisches Taschenbuch 1910 (1909), S. 29

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